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SommergedichteSommergedichte

sind recht verschiedene Seiten eines lyrischen Blattes.
Die elementare Wucht, mit der die heiße und gleißende Jahreszeit beginnt, fasst Gustav Sack in schroffe Verse. Die ungetrübte Wonne, die man beim Wort Sommer empfindet (zumindest wenn er wohltemperiert oder nicht da ist), jubiliert Otto Julius Bierbaum melodisch aus. Joachim RingelnatzRingelnatz hingegen beschwert sich über zuviel Nässe, auch wenn sie als urewige Musik herabrauscht.

Der faule Mucker

Der Regen schlägt, als geißelten
des grenzenlosen Himmels wilde Winde
den alten Mucker jagend hoch
und meißelten
aus Schnee und Schmutz und Stubendunst
des Sommers nackte Glut heraus.

Das gießt und bläst und faucht und raucht,
bis über Nacht
des Frühlings Hülle fällt
und - breit und ungeschlacht
fiebert der Sommer durch die Welt!

(Gustav Sack, 1885-1916)

Sommer

Singe, meine liebe Seele,
Denn der Sommer lacht.
Alle Farben sind voll Feuer,
Alle Wett ist eine Scheuer,
Alle Frucht ist aufgewacht.

Singe, meine liebe Seele,
Denn das Glück ist da.
Zwischen Ähren, welch ein Schreiten!
Flimmernd tanzen alle Weiten,
Gott singt selbst Hallelujah.

(Otto Julius Bierbaum, 1865-1910)

Landregen

Der Regen rauscht. Der Regen
Rauscht schon seit Tagen immerzu.

Und Käferchen ertrinken
Im Schlammrinn an den Wegen. - -
Der Wald hat Ruh.
Gelabte Blätter blinken.

Im Regenrauschen schweigen
Alle Vögel und zeigen
Sich nicht.

Es rauscht urewige Musik.

Und dennoch sucht mein Blick
Ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.

Ich kann das schwere, kalte Laub
Nicht länger mehr ertragen.

(Joachim Ringelnatz, 1883-1934)

Blatt- und wetterwendisch sind die sommerlichen Impressionen: Annette von Droste-Hüllshoff schmachtet vom Bodensee nach Kühlung von nordschweizer Bergen, Ernst Stadler badet sich im Erntelicht der Kornkammern seiner elsässischen Heimat. Die weiche Schwermut des Salzburgers Georg TraklGeorg Trakls neigt sich in eine windstille, sternlose Nacht.

Sommer

Du gute Linde, schüttle dich!
Ein wenig Luft, ein schwacher West!
Wo nicht, dann schließe dein Gezweig
So recht, dass Blatt an Blatt sich presst.

Kein Vogel zirpt, es bellt kein Hund;
Allein die bunte Fliegenbrut
Summt auf und nieder übern Rain
Und lässt sich rösten in der Glut.

Sogar der Bäume dunkles Laub
Erscheint verdickt und atmet Staub.
Ich liege hier wie ausgedorrt
Und scheuche kaum die Mücken fort.

O Säntis, Säntis! läg' ich doch
Dort, - grad' an deinem Felsenjoch,
Wo sich die kalten, weißen Decken
So frisch und saftig drüben strecken,
Viel tausend blanker Tropfen Spiel;
Glücksel'ger Säntis, dir ist kühl!

(Annette von Droste-Hülshoff, 1797-1848)

Sommer

Mein Herz steht bis zum Hals in gelbem Erntelicht
wie unter Sommerhimmeln schnittbereites Land.
Bald läutet durch die Ebenen Sichelsang: mein Blut
lauscht tief mit Glück gesättigt in den Mittagsbrand.
Kornkammern meines Lebens, lang verödet,
alle eure Tore sollen nun wie Schleusenflügel offen stehn,
Über euern Grund wird wie Meer die goldne Flut der Garben gehn.

(Ernst Stadler, 1883-1914)

Sommer

Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.

Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus;

Windstille, sternlose Nacht.

(Georg Trakl, 1887-1914)

Im Hochsommer scheint jedoch die Wahrnehmung mehr und mehr zu verflimmern; eine träge Muße wirft auf das Selbst zurück, wie es Hermann Löns in der Heide und Emanuel Geibel im Süden erfahren:

Sommer

Über die Heide ziehen Spinneweben
Von Halm zu Halm ihr silberweißes Tuch,
Am Himmelsrande weiße Wölkchen schweben
Und weißes Wollgras wimpelt überm Bruch.

Es glüht die Luft wie ein Maschinenofen,
Kein Menschenleben regt sich weit und breit,
Der Baumpieper nur schmettert seine Strophen
Und hoch im Blau der Mäusebussard schreit.

In rosa Heidekraut den Leib ich strecke,
Das Taschentuch ich auf die Augen breit',
Weit von mir ich die schlaffen Glieder recke
Und dehne mich in süßer Müdigkeit.

O Grabesschlaf, wollüstiges Genießen!
Wenn dieser müde Menschenleib verwest,
Wenn die Atome auseinanderfließen
Und Glied an Glied sich reckend, dehnend löst.

(Hermann Löns, 1866-1914)

Sommer im Süden

In Teppichzelten, die zum Schlummer taugen,
Am Spiele der Gedanken sich vergnügen,
Dazwischen dann und wann in langen Zügen
Den kühlen Rauch der Wasserpfeife saugen,

Bald einsam träumen von geliebten Augen
Und mit dem Traum die Gegenwart betrügen,
Bald mit den Freunden bei gefüllten Krügen
In leichtem Witz der Toren Werk durchlaugen:

Das ist das einz'ge, was in diesen Tagen,
Wo alle Blumen vor der Sonne flüchten,
Mir tunlich noch erscheint und zu ertragen.

Doch wollt mich drum des Leichtsinns nicht bezüchten;
Ein Dichter darf schon auszuruhen wagen,
Denn auch sein Müßiggang ist reich an Früchten.

(Emanuel Geibel, 1815-1884)

Und so ist im kühlrauchigen Dichterhirn und dem allgemeinen Sprachgebrauch der Sommer oft nicht eigentlich, sondern als Metapher und Symbol gemeint. Doch wen William ShakespeareWilliam Shakespeare mit einem Sommertag vergleicht, ist ein Rätsel, dessen Lösung darin liegt, dass Sie ihn lesen und "dies" hervorgeheben ist.

Sonett XVIII

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?
Anmutiger, gemäßigter bist du.
Des Maies Lieblinge jagt Sturmwind von den Zweigen,
Und nur zu früh gehn Sommers Pforten zu.
Bald scheint zu heiß des Himmels Auge, bald
Umdunkelt sich sein goldner Kreis; es weilet
Das Schöne nie in seiner Wohlgestalt,
Vom Zufall, vom Naturlauf übereilet.
Du aber sollst in ewgem Sommer blühn,
Nie deiner Schönheit Eigentum veralten;
Nie soll dich Tod in seine Schatten ziehn,
Wenn ewge Zeilen dich der Zeit erhalten.
Solange Menschen atmen, Augen sehn,
So lang lebt dies, und heißt dich fortbestehn.

(William Shakespeare, 1564-1616;
aus dem Englischen von Johann Gottlob Regis;
siehe auch die alternative Robinson-Übertragung in William ShakespeareShakespeare)

Das Ende vom Sommerlied sei hier daher auch ein von Friedrich Hebbel in Verse gesetztes Bild, doch atmet es die süßsaure Wehmut, mit der sich die heiße Jahreszeit verabschiedet:

Sommerbild

Ich sah des Sommers letzte Rose stehn,
Sie war, als ob sie bluten könne, rot;
Da sprach ich schaudernd im Vorübergehn:
So weit im Leben ist zu nah am Tod!

Es regte sich kein Hauch am heißen Tag,
Nur leise strich ein weißer Schmetterling;
Doch ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag
Bewegte, sie empfand es und verging.

(Friedrich Hebbel, 1813-1863)

Zur Abrundung noch ein japanisches HaikuHaiku vom Begründer dieser kleinsten aller Lyrikformen:

Basho Sommerhaiku

            (Matsuo Basho, 1644-1694)

Webtipps Sommergedichte Sommergedichte im Internet

Da der Sommer nicht die Lieblingszeit zumindest der moderneren Lyriker ist, sind auch die Gedichtsammlungen zu ihm im Netz spärlich. Ein Blick lohnt es bei Garten-Literatur; mehr als diese Auswahl bietet auch die Naturlyrik in Gedichte für alle Fälle.

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