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Ostergedichte

Das höchste christliche Fest, benannt nach einer heidnischen Frühlingsgöttin, wurde von den Lyrikern seit dem frühen Mittelalter thematisiert. Erstaunlich ist die Kontinuität der Motive, die Auferstehung des religiösen Heilands und Erneuerung des Menschen überhaupt in Verbindung mit dem Frühlingserwachen der Natur. Sehr prägnant hat dies bereits Notker zusammengefasst, dem die detailreich ausgeschmückten Verse von Geibels "Ostermorgen" folgen.

Auf Ostern

Dem aus Grabesnacht
Auferstandnen Heiland huldigt die Natur:
Blum und Saatgefild
Sind erwacht zu neuem Leben;
Der Vögel Chor
Nach des Winters Rauhreif singt sein Jubellied.
Heller strahlen nun
Mond und Sonne, die des Heilands Tod verstört,
Und im frischen Grün
Preist die Erde den Erstandnen,
Die, als er starb,
Dumpf erbebend ihrem Einsturz nahe schien.

(Notker der Stammler, 840-912;
aus dem Lateinischen von Paul von Winterfeld)

Ostermorgen

Die Lerche stieg am Ostermorgen
Empor ins klarste Luftgebiet
Und schmettert', hoch im Blau verborgen,
Ein freudig Auferstehungslied,
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!

Wacht auf und rauscht durchs Tal, ihr Bronnen,
Und lobt den Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen,
Ihr grünen Halm' und Läuber all!
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
Ihr sollt es alle mit verkünden:
Die Lieb' ist stärker als der Tod.

Wacht auf, ihr trägen Menschenherzen,
Die ihr im Winterschlafe säumt,
In dumpfen Lüsten, dumpfen Schmerzen
Ein gottentfremdet Dasein träumt.
Die Kraft des Herrn weht durch die Lande
Wie Jugendhauch, o laßt sie ein!
Zerreißt wie Simson eure Bande,
Und wie der Adler sollt ihr sein.

Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
Gebrochen an den Gräbern steht,
Ihr trüben Augen, die vor Tränen
Ihr nicht des Frühlings Blüten seht,
Ihr Grübler, die ihr fern verloren
Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn,
Wacht auf! Die Welt ist neugeboren,
Hier ist ein Wunder, nehmt es an!

Ihr sollt euch all des Heiles freuen,
Das über euch ergossen ward!
Es ist ein inniges Erneuen
Im Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war, grünt im Wehn der Lüfte,
Jung wird das Alte fern und nah,
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte -
Wacht auf! der Ostertag ist da.

(Emanuel Geibel, 1815-1884)

Der Zusammenklang von religiösem Fest und der Fruchtbarkeit der Natur hat viele Lyriker inspiriert. Neben Arnim, Joseph von EichendorffEichendorff und Verlaine kann auch der Osterspaziergang aus Goethes Faust als Beispiel dienen, nachzulesen hier unter FrühlingsgedichteFrühlingsgedichte.

Ostern

Vom Erdenstaub zu reinen, blauen Lüften
Dringt weit der Blick in ersten Frühlingstagen,
Und höher steigt der mächt'ge Sonnenwagen,
Die Erde sehnt nach Blättern sich und Düften,
Und heilige Geschichten uns dann sagen
Was sich geahnet in des Herzens Klüften.
Er ist erstanden aus den Todesgrüften,
Und wie vergebens war der Menschen Zagen,
Ja so ersteht die Welt der Himmelsgaben
Mit jedem Jahre neu, die Knospen brechen,
Und nichts ist unsrer Liebe zu erhaben,
Sie gibt uns alles in den Wonnebächen,
Die nach dem Eisgang Flur und Aug' durchgraben,
Das Unsichtbarste will zum Lichte sprechen.

(Achim von Arnim, 1781-1831)

Ostern

Vom Münster Trauerglocken klingen,
Vom Tal ein Jauchzen schallt herauf.
Zur Ruh sie dort dem Toten singen,
Die Lerchen jubeln: wache auf!
Mit Erde sie ihn still bedecken,
Das Grün aus allen Gräbern bricht,
Die Ströme hell durchs Land sich strecken,
Der Wald ernst wie in Träumen spricht,
Und bei den Klängen, Jauchzen, Trauern,
So weit ins Land man schauen mag,
Es ist ein tiefes Frühlingsschauern
Als wie ein Auferstehungstag.

(Joseph von Eichendorff, 1788-1857)

Ostern

Die Glocken, die von Rom uns gestern kehrten, dröhnen
Zum Himmel Lobgesang in feierlichen Tönen.

Das Echo, das vom Turme mächtig flutend ruft,
Verherrlicht rings die weiten Lande und die Luft.

Der Vogel, der geweiht vom Goldklang heil'ger Grüße,
Vergisst sein Klagen und stimmt an der Hymnen Süße.

Und froh sein Halleluja zwitschernd durch die Welt
Singt er auf Busch und Baum, in Wiese, Wald und Feld.

Die Lerche hat mit Festgesang sich aufgeschwungen,
Dem tau'gen Morgen hat die Nachtigall gesungen.

Mit zärtlich süßen Tönen heißer Liebesglut,
Der sonnenhell das Glück in stillem Herzen ruht,

Lebt freudenvoll der Lenz, der gestern neu erstanden,
So selig seufzt Natur, und in den weiten Landen

Von dunklen Türmen manchen altersgrauen Baus
Vom Campanile nieder und vom Königshaus.

Aus allen Städten, da von Festgeläut und Singen
Paris und Moskau, London und Sevilla klingen,

Tönt hell der Jubelruf der Glocken, der uns weiht
Zum gnadenreichen Fest der heil'gen Osterzeit.

Die Taube streift die Flur, das Lamm blökt im Gehege,
Wem bist, Maria, du, begegnet auf dem Wege?

Gold ist der Fluss, der neu der Sonne Glanz empfing.
Es ist der Herr, der einst in Galiläa ging.

- Was wäscht das öde Herz sich nicht im gold'nen Strome,
Was heiligt nicht den Geist der goldne Klang vom Dome?

Was fleht nicht wie ein Lamm der Seele bang Gebet,
Der weißen Taube gleich, da alles neu ersteht?

Was zieht der Mensch, der einst in göttlichem Vertrauen,
Nicht heute noch den Pfad nach Galiläas Auen?

(Paul Verlaine, 1844-1896;
aus dem Französischen von Wolf von Kalckreuth)

Ob man mit Opitz den verderblichen Sauerteig der Welt für ein besseres Jenseits abwerfen oder auf einem nächsten Stern ewige irdische Ostern finden mag wie Klabund: Der transzendierende Glauben an Erneuerung, Auferstehung und Wiedergeburt ist Ausfluss einer allen Lebewesen gemeinsamen Urerfahrung des wiederbelebenden Frühlings. Für eine über den Religionen schwebene Heiterkeit, beruhend auf die Ernerungskraft der Mutter Erde, predigt demgemäß Bierbaum.

Am Heiligen Oster-Tage

Fegt ab von euch den Sauerteig der Erden,
Den Sauerteig der alten bösen Zeit,
Auff daß ihr so ein neuer Teig mögt werden,
Als wie ihr dann auch ungesäuert seyd.

Das Osterlamb, das Opffer, so wir haben,
Ist Christus selbst, geschlachtet für die Welt,
Drumb lasset uns die Seele mit ihm laben,
Lasst uns auch sein den Teig, der ihm gefelt.

Damit ihr mögt die neuen Ostern halten,
So seyd auch neu und werdet nach der Zeit
Ein neuer Teig, nehmt für den sauern alten,
Den süßen Teig der Lieb und Lauterkeit.

(Martin Opitz, 1597-1639)

Ewige Ostern

Als sie warfen Gott in Banden,
Als sie ihn ans Kreuz geschlagen,
Ist der Herr nach dreien Tagen
Auferstanden.

Felder dorren. Nebel feuchten.
Wie auch hart der Winter wüte:
Einst wird wieder Blüt' bei Blüte
Leuchten.

Ganz Europa brach in Trümmer,
Und an Deutschland frisst der Geier, -
Doch der Frigga heiliger Schleier
Weht noch immer.

Leben, Liebe, Lenz und Lieder:
Mit der Erde mag's vergehen.
Auf dem nächsten Sterne sehen
Wir uns wieder.

(Klabund, 1890-1928)

Osterpredigt in Reimen

Verehrter Mitmensch, höre und vernimm
Freundwillig mit Hulden und ohne Grimm:
Dieweil es nun Ostern geworden ist,
Sollst du, von welcher Art du auch bist,
Ob Heide, Jude, Moslem, Christ,
Durchaus vergnügt im Herzen sein,
Osterwürdig und osterrein.

Mit einem Birkenreise kehre
Aus deiner Seele den Geist der Schwere!
Der Wenns und Abers und Achs und Os,
Die hart und starr dein Herz umwindet,
Dass der Geist der Leichte kaum Eingang findet,
Mache dich hurtig und heiter los!

Du brauchst nichts weiter dazuzutun,
Als dich im Grünen auszuruhn.
Da atmet sichs sehr wonnig ein,
Was dir das Herz macht frei und rein:
Der jungen Blumen frischer Hauch;
Und die Augen haben der Wonne auch,
Denn nichts ist lieblicher anzusehn,
Als wie sie da hold beisammenstehn,
Blau, weiß und rosa, klar und licht,
Der Erde süßestes Ostergedicht.

An ihnen dir ein Beispiel zu nehmen,
Sollst du, ach Mensch, dich keineswegs schämen!

Vergiss dein Gehirn eine Weile und sei
Gedankenlos dem lieben Leben
Blumeninnig hingegeben;
Vergiss dein Begehren, vergiss dein Streben
Und sei in seliger Einfalt frei
Des Zwangs, der dich durchs Hirn regiert!

Er hat dich freilich hoch geführt
Und vieles dir zu wissen gegeben,
Aber das allertiefste Leben
Wird nicht gewusst, wird nur gespürt.
Der Blumen zarte Wurzeln fühlen
Im keimlebendigen, frühlingskühlen
Erdboden mehr von ihm als du.
Und bist doch auch ein Kind der Erde.
Dass sie nicht sinnenfremd dir werde,
Wende ihr heut die Sinne zu!

Das ist der festlich tiefe Sinn
Der Ostertage: Mit Entzücken
Sollst du zum Mutterschoß dich bücken.
Gib heut, o Mensch, dich innerst zu beglücken,
Der Mutter Erde frühlingsfromm dich hin!

(Otto Julius Bierbaum, 1865-1910)

Doch auch in einer der Tradition verpflichteten Auswahl wie dieser muss der heute vorherrschende Aspekt von Ostern als säkulares Familienfest nicht fehlen. Stellvertretend für die vielen Kinderreime um das österliche Brauchtum stehen hier eine Strophe aus dem Volksgut und ein scherzend die Henne-und-Ei-Frage klärendes Eduard MörikeMörike-Gedicht. All das greift Kurt TucholskyTucholsky parodierend auf, um es zum Beschluss spielerisch zu verkehren.

 

Mein Vater kaufte sich ein Haus.
An dem Haus war ein Garten.
In dem Garten war ein Baum.
Auf dem Baum war ein Nest.
In dem Nest war ein Ei.
In dem Ei war ein Dotter.
Im Dotter war ein Osterhase,
der beißt dich in die Nase.

(Volksgut)

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät's gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.

Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?

Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat's der Has gebracht.

(Eduard Mörike, 1804-1875)

Ostern

Da ist nun unser Osterhase-!
Er stellt das Schwänzchen in die Höh
und schnuppert hastig mit der Nase
und tanzt sich einen Pah de döh!

Dann geht er wichtig in die Hecken
und tut, was sonst nur Hennen tun.
Er möchte sein Produkt verstecken.
um sich dann etwas auszuruhn.

Das gute Tier-! Ein dicker Lümmel
nahm ihm die ganze Eierei
und trug beim Glockenbammelbimmel
sie zu der Liebsten nahebei.

Da sind sie nun. Bunt angemalen
sagt jedes Ei: "Ein frohes Fest!"
Doch unter ihren dünnen Schalen
liegt, was sich so nicht sagen lässt.

Iss du das Ei! Und lass dich küssen
zu Ostern und das ganze Jahr ...
Iss nur das Ei! und du wirst wissen
was drinnen in den Eiern war-!

(Kurt Tucholsky, 1890-1935)

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