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Liebeskummer-Gedichte

Im Vergleich zum Liebesglück, wo man Besseres zu tun hat, ist der Liebeskummer für die Dichter ein produktiverer Zustand, um sich mit Metren und Reimen zu beschäftigen. Oft geht er mit Unerfülltheit und Einsamkeit einher, wie es die Griechin Sappho schon vor etwa zweitausendsechshundert Jahren beispielhaft prägnant zum Ausdruck brachte. Heinrich HeineHeinrich Heine und Hermann von Lingg finden erschütternde Bilder dafür, während August von Platen die unerwiderte Liebe intensiv in kurze Verse zu bannen versteht.

 

Untergegangen sind der Mond
Und die Plejaden. Es ist Mitternacht,
Die Stunden vergehen.
Ich aber schlafe allein.

(Sappho, um 600 v.u.Z.)


Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
In diesem Hause wohnte mein Schatz;
Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.

Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe -
Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.

Du Doppeltgänger! du bleicher Geselle!
Was äffst du nach mein Liebesleid,
Das mich gequält auf dieser Stelle,
So manche Nacht, in alter Zeit?

(Heinrich Heine, 1797-1856)

Lied

Kalt und schneidend
Weht der Wind,
Und mein Herz ist bang und leidend
Deinetwegen, schönes Kind!

Deinetwegen,
Süße Macht,
Ist mein Tagwerk ohne Segen,
Und ist schlaflos meine Nacht.

Stürme tosen
Winterlich,
Aber blühten auch schon Rosen,
Was sind Rosen ohne dich?

(Hermann von Lingg, 1820-1905)


Mein Herz ist zerrissen, du liebst mich nicht!
Du ließest mich's wissen, du liebst mich nicht!
Wiewohl ich dir flehend und werbend erschien,
Und liebebeflissen, du liebst mich nicht!
Du hast es gesprochen, mit Worten gesagt,
Mit allzu gewissen, du liebst mich nicht!
So soll ich die Sterne, so soll ich den Mond,
Die Sonne vermissen? Du liebst mich nicht!
Was blüht mir die Rose? was blüht der Jasmin?
Was blühn die Narzissen? Du liebst mich nicht!

(August von Platen, 1796-1835)

Zugrunde liegt dem Liebeskummer meist Getrenntsein, ob aus äußeren oder, schlimmer noch, inneren Anlässen. Weil die Lyrik dafür schon immer Trostpflästerchen bot, sei auf das eigene Thema TrennungsgedichteTrennungsgedichte verwiesen. Hier aber folgen mit Francesco Petrarca und George Gordon Lord Byron zwei der bekanntesten Vertreter der Welt- und Liebesschmerzliteratur überhaupt, denen sich Wilhelm Müller mit einem Text aus seinem berühmten, von Schubert vertonten Zyklus "Winterreise" anschließt.

 

Mir träufeln bittre Tränen von den Wangen,
Angstvoll beginnt der Seufzer Sturm zu wehen,
Geschieht es, dass nach euch die Augen sehen,
Durch die allein der Welt ich bin entgangen.

Wahr ist's, es muss mein glühendes Verlangen
Vor süßem Lächeln allgemach vergehen;
Gerettet muss ich aus der Glut erstehen,
Wenn meine Blicke forschend an euch hangen.

Doch bald zu Eis erstarren die Gedanken,
Seh' ich beim Scheiden, wie mit holder Sitte
Ihr von mir lenket meine Schicksalsterne.

Öffnen der Liebe Schlüssel dann die Schranken,
Entflieht die Seel', und aus des Herzens Mitte
Folgt sie gedankenschwer euch in die Ferne.

(Francesco Petrarca, 1304-1374;
aus dem Italienischen von Karl Förster)

Als sich mit Schmerzen

Als sich mit Schmerzen,
In Tränen und stumm,
Trennten die Herzen,
Wer sagt, warum? -
Kalt dein Gesicht und blass,
Kälter dein Kuss;
O damals ahnt ich, was
Nun kommen muss.

Es taute der Morgen
So schaurig kühl,
Mich warnte verborgen
Ein Vorgefühl.
Die Schwüre verwehten,
Die Ehre zerbrach,
Dein Ruf ist zertreten
Und mein deine Schmach.

Dein Name umklingt mich
Wie Totengeläut.
Ein Schauer durchdringt mich,
Als liebt ich noch heut.
Wie gut ich dich kannte,
Wem ist es bewusst?
Wer weiß, wie mir brannte
Von Reue die Brust?

Verstohlen besessen,
Verstohlen beweint,
Dass du mich vergessen,
Verraten den Freund!
Nach langem Büßen,
Wenn Jahre herum,
Wie soll ich dich grüßen? -
In Tränen und stumm.

(George Gordon Lord Byron, 1788-1824;
aus dem Englischen von Paul Heyse)

Erstarrung

Ich such' im Schnee vergebens
Nach ihrer Tritte Spur,
Hier, wo wir oft gewandelt
Selbander durch die Flur.

Ich will den Boden küssen,
Durchdringen Eis und Schnee
Mit meinen heißen Tränen,
Bis ich die Erde seh'.

Wo find' ich eine Blüte,
Wo sind' ich grünes Gras?
Die Blumen sind erstorben,
Der Rasen sieht so blass.

Soll denn kein Angedenken
Ich nehmen mit von hier?
Wenn meine Schmerzen schweigen,
Wer sagt mir dann von ihr?

Mein Herz ist wie erfroren,
Kalt starrt ihr Bild darin:
Schmilzt je das Herz mir wieder,
Fließt auch das Bild dahin.

(Wilhelm Müller, 1794-1827)

Ob nun durchs Getrennt- oder Verschmähtsein: Scheiternde Liebe, ja Liebe überhaupt ist emotionaler Stress, wie auch das 147. Sonett von William ShakespeareWilliam Shakespeare lehrt. Solch fiebrige Leidenschaft, die immer Leiden schafft, und der Versuch, sich davon zu entheben, ist Thema der folgenden drei Texte. Ludwig Eichrodt windet sich in Fesseln und weiß nicht, ob dies mehr Qual oder Lust ist; noch weiter gehen Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Adam Krieger, welche die Liebe als solche am Liebsten tilgen würden.

Gefesselt

Liebesglück und Liebesschmerz -
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.

Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiss.

In des Lebens Blütenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?

(Ludwig Eichrodt, 1827-1892)

Der Glückliche

Glücklich ist, wer nimmer liebet,
Wer der Liebe lacht;
Denn wer sich der Lieb' ergiebet,
Seufzet, sehnt sich, ist betrübet,
Winselt Tag und Nacht;
Sein Gewinsel, sein Gesehne,
Was er denkt, und tut, und spricht,
Wirkt ein einziges Gesicht!
Alles andre Schöne
Rührt ihn nicht.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 1719-1803)

Wer sich verliebt, wird sehr betrübt

Ach! wie glückselig ist ein Herze,
das nichts mehr als sich selbsten kennt,
von keiner frembden Flamme brennt,
selbst seine Lust und selbst sein Schmerze,
seit dass ich nun verliebet bin,
so ist mein ganzes Herze hin.

Ich schlaf, ich träume bei dem Wachen,
Ich ruh', und hab keine Ruh,
ich tu, und weiß nicht was ich tu,
ich weine mitten in dem Lachen,
Ich denk, ich mache dies und das,
ich schweig, und red', und weiß nicht, was.

Die Sonne scheint vor mir nicht helle,
mich kühlt die Glut, mich brennt das Eis,
Ich weiß, und weiß nicht was ich weiß,
die Nacht tritt an des Tages Stelle,
Itzt bin ich dort, itzt da, itzt hier,
ich folg', und fliehe selbst für mir.

Bald billig' ich mir meinen Handel,
bald darauf verklag ich mich bei mir,
ich bin verändert für und für,
und standhaft nur in steten Wandel,
Ich selbst, bin mit mir selbst nicht eins,
bald will ich alles, bald gar keins.

Wie wird mirs doch noch endlich gehen?
ich wohne nunmehr nicht in mir,
mein Schein ist es nur, den Ihr hier,
in meinem Bilde sehet stehen,
Ich bin nun nicht mehr selber Ich,
Ach Liebe! Wozu bringst du mich?

(Adam Krieger, 1634-1666)

Anders sieht das freilich Johann Wolfgang Goethe Johann Wolfgang von Goethe, dem nicht die Emotionen selber das Problem sind, denn der schlimmste Kummer aus Liebe wäre ihm immer noch lieber als eine Welt ohne Liebe. Um uns dies zu ersparen, liefert Erich Mühsam selbstdiagnostisch und -ironisch schlussendlich das abschreckende Exempel, wie einer vor lauter Kümmernissen liebesschlapp wird.

Wonne der Wehmut

Trocknet nicht, trocknet nicht,
Tränen der ewigen Liebe!
Ach, nur dem halbgetrockneten Auge
Wie öde, wie tot die Welt ihm erscheint!
Trocknet nicht, trocknet nicht,
Tränen unglücklicher Liebe!

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832)

Liebesweh

Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich an meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
das mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,
fernher flüsternd, traumverloren,
murmelt ein geliebter Mund:
Schlapper Hund!

(Erich Mühsam, 1878-1934)

 

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